Das Kind (die Stiftung ist gemeint) wurde gezeugt und hat rechtlich ein ewiges Leben, das nur bei Vorliegen eines anerkannten Auflösungsgrundes beendet werden kann. So einfach ist das im Stiftungsrecht.
Im Folgenden das Manuskript meiner am 19.Mai.2022 im Landtag von Mecklenburg-Vorpommern gehaltene Rede. Diese wurde auch überregional viel beachtet und aus ihr beispielsweise in der Zeit, dem Merkur, der Süddeutschen Zeitung usw., zitiert.
Klima- und Umweltstiftung auflösen?
Ob und wie die Stiftung aufgelöst werden kann, ist keine politische, sondern allein eine rechtliche Angelegenheit. Das gehört an die Spitze der Debatte. Denn das wird meist gründlich verkannt.
Der Antrag der Koalition, mit dem auf den Stiftungsvorstand eingewirkt werden soll, die Stiftung aufzulösen, hat sich aufgrund der mit dem Stiftungsvorstand getroffenen Einigung über einen Rücktritt des Vorstands nach Abwicklung des wirtschaftlichen Geschäftsbetriebs im September schlicht erledigt.
Denn aufgrund der Vereinbarung werden von dem noch amtierenden Vorstand keine Aktivitäten mehr zur Auflösung der Stiftung verlangt. Das ist das Gegenteil ihres Antrags. Der Antrag ist damit hinfällig und schon deshalb abzulehnen.
Das Theater um die Stiftung ist ein Musterbeispiel für eine rechtsferne, allein von politischen Erwägungen geleitete Politik, die einen neuen Höhepunkt erreicht hat durch die mit dem Stiftungsvorstand getroffene Rücktrittsvereinbarung.
Danach soll von der Ministerpräsidentin ein neuer sog. Auflösungsvorstand eingesetzt werden, der die Stiftung dann definitiv beendet. Das, meine Damen und Herren, ist eine gigantische Irreführung.
Denn es gibt keinen Auflösungsvorstand, der rechtlich verpflichtet wäre, auf Geheiß der Ministerpräsidentin die Stiftung aufzulösen. Ein von der Ministerpräsidentin nach § 7 der Satzung neu bestellter Vorstand unterliegt exakt denselben rechtlichen Bestimmungen wie der noch aktive Vorstand. Das heißt, an den für eine Auflösung bestehenden rechtlichen Voraussetzungen ändert sich gar nichts. Das Problem wird nur verschoben.
Und das Problem besteht darin, dass man eine Stiftung eben nicht einfach auflösen kann, erst recht nicht wegen einer Änderung der politischen Verhältnisse.
Mit der Gründung einer Stiftung entsteht eine vom Stifter getrennte juristische Person, die ein verselbständigtes Zweckvermögen darstellt. Sie gehört nicht dem Stifter, sondern sich selbst. Sie ist nicht frei auflösbar.
Das Kind wurde gezeugt und hat rechtlich ein ewiges Leben, das nur bei Vorliegen eines anerkannten Auflösungsgrundes beendet werden kann. So einfach ist das im Stiftungsrecht.
Mit anderen Worten:
Wenn die Voraussetzungen für eine Auflösung der Stiftung vorlägen, wovon die MPin ja ausgeht, dann könnte und müsste sie den derzeitigen Vorstand abberufen, weil dieser seiner Pflicht zur Auflösung nicht nachkäme. Das tut die MPin aber nicht, weil sie entweder zu feige ist oder weil Sie selbst daran zweifelt, ob die Voraussetzungen für eine Auflösung vorliegen.
Gleichwohl gaukelt die MPin der Öffentlichkeit vor, mit einem einvernehmlichen Rücktritt und der Bestellung eines sog. Auflösungsvorstands sei das Problem gelöst. Das ist Täuschung pur. Denn wie bereits gesagt, der neue Vorstand steht vor denselben Problemen. Für ihn gilt dasselbe Recht. Er hat keine spezielle Auflösungsbefugnis.
Nun konkret zur Stiftung:
Das Projekt Nord-Stream 2 war im Interesse einer gesicherten Energieversorgung Deutschlands gut und richtig. Den USA war es von Anfang an ein Dorn im Auge. Aufgrund verschärfter Sanktionen geriet die Fertigstellung der fast vollendeten Pipeline 2020 ernsthaft in Gefahr. Im Januar 2021 wurde daraufhin die Stiftung gegründet.
Diese sah neben Maßnahmen des Klimaschutzes auch die Gründung eines wirtschaftlichen Geschäftsbetriebes vor, um sich damit an den Arbeiten zur Vollendung der Pipeline zu beteiligen.
Meine Damen und Herren, da nach den bisherigen Verlautbarungen einige an historischer Amnesie zu leiden scheinen, rufe ich in Erinnerung, was wir hier alle gemeinsam erlebt haben.
Der Landtag stand komplett hinter Nord Stream 2 und war empört über die amerikanischen Sanktionen. Das gilt auch für die CDU und besonders für deren Fraktionsvorsitzenden Liskow.
Ich persönlich war mehr als empört und hätte mir gewünscht, dass eine selbstbewusste Bundesregierung dem Herrschafts- und Einmischungsanspruch der USA deutlicher entgegengetreten wäre.
Die Stiftung sollte die Möglichkeit eröffnen, die fast fertige Pipeline zu Ende zu bauen. Das wussten alle und das wurde von allen begrüßt, auch von meiner Partei.
Gleichwohl waren wir die einzigen, die nicht zugestimmt haben. Die AfD war zwar für die Fertigstellung der Pipeline, hatte aber hinsichtlich der Stiftung Bedenken und zweifelte, ob dieses Projekt zum Erfolg führen könne. Deshalb hat sich meine Partei damals der Stimme enthalten.
Eine Auflösung der Stiftung ist an strenge Voraussetzungen gebunden. Sie ist hier nur möglich, wenn der Stiftungszweck unmöglich wird oder sich die Verhältnisse derart geändert haben, dass die dauernde und nachhaltige Erfüllung des Stiftungszweckes nicht mehr sinnvoll erscheint.
Der Stiftungszweck ist nach dem eindeutigen Wortlaut der Satzung der Umwelt-, Natur- und Klimaschutz.
Der wirtschaftliche Geschäftsbetrieb, also die Beteiligung an der Vollendung von Nord-Stream 2 hat nach der Satzung lediglich eine objektbezogene und von der Sache her befristete Nebenfunktion.
Auch wenn dieses Zwischenziel das Motiv für die Stiftungsgründung war, so ändert dies nichts daran, dass die in der Satzung festgeschriebenen dauerhaften Zwecke der Stiftung der Umwelt-, Natur- und Klimaschutz ernst gemeint und gewollt waren.
Diese Ziele sind weder unmöglich geworden, noch liegt eine derartige Änderung der Verhältnisse vor, dass die dauernde und nachhaltige Erfüllung des Stiftungszweckes nicht mehr möglich wäre. Denn die Ziele des Klima-, Umwelt- und Naturschutzes können trotz des russischen Angriffskrieges und ohne Fortführung des wirtschaftlichen Geschäftsbetriebes weiterhin erfüllt werden.
Man mag politisch von einer Mogelpackung sprechen. Das führt aber rechtlich nicht weiter. Es war ein geschickter und rechtlich zulässiger Schachzug, um über eine Stiftung Nord-Stream 2 zu vollenden.
Das ist im Gutachten Uffmann sauber und klar herausgearbeitet. Das sehe ich im Gutachten Weitemeyer nicht so. Dort zeichnen sich die maßgeblichen Passagen durch politische Bewertungen aus, die rechtlich nicht überzeugen. Letztlich wird aus den Anfeindungen aufgrund des russischen Angriffskrieges auf eine unzulängliche Breitenwirkung und fehlende Akzeptanz geschlossen und daraus ein Auflösungsgrund konstruiert.
Ich bin mir absolut sicher, dass sich kein Gericht dieser Argumentation anschließen wird. Und offensichtlich sieht man das im Justizministerium genau so. Dem wird die Justizministerin, nach dem, was sie im Rechtsausschuss ausgeführt hat, nicht widersprechen.
Danach liefert der russische Angriffskrieg keinen Grund für die Annahme, die Verhältnisse hätten sich derart geändert, dass die dauernde und nachhaltige Erfüllung des Stiftungszweckes nicht mehr möglich oder sinnvoll erscheine.
Denn die Ziele des Klima-, Umwelt- und Naturschutzes können weiterhin nachhaltig erfüllt werden. Das gilt vollkommen unabhängig von der Einstellung des wirtschaftlichen Geschäftsbetriebs Vollendung von Nord-Stream 2.
Es bleibt das Geheimnis der MPin, was sich bis zur Bestellung eines neuen Vorstands ändern sollte, das diesen berechtigen könnte, die Stiftung aufzulösen. Da fällt mir nur ein, dass die MPin davon ausgeht, einen Gefälligkeitsvorstand zu bestellen, der willfährig den Willen der MPin vollzieht und die Auflösung vornimmt. Das ist der eigentliche Skandal, der sich bereits jetzt abzeichnet.
Sollte der sog. Auflösungsvorstand die Auflösung gleichwohl vollziehen wollen, dann kann es für die MPin erst recht eng werden. Denn dann müsste die Justizministerin, wenn Sie ihrem Eid treu bleibt, als Stiftungsaufsicht eingreifen und die rechtswidrige Auflösung verhindern. Tut sie das nicht, wird sie hier im Landtag erklären müssen, was zu ihrer Kehrtwende in der rechtlichen Beurteilung geführt hat.
Nun zu den weiteren Punkten des Antrags:
In der Verurteilung des russischen Angriffskrieges sind wir uns alle einig. Das heißt aber nicht, dass man nicht über die Vorgeschichte, Ursachen und Vermeidbarkeit nachdenken dürfte.
Zeitenwende ist das Schlüsselwort dafür, alles über Bord zu werfen, was gestern noch galt und heilig war. Wir müssen aufpassen, uns nicht nur von Emotionen und politischen Stimmungen leiten zu lassen und Positionen aufzubauen, die ein Klima gegenseitiger Abschottung und Feindschaft befeuern.
Wir sind dabei, die Friedensperspektive aus den Augen zu verlieren und uns an einen langen, fürchterlichen Abnutzungskrieg zu gewöhnen. Die Forderung nach einer diplomatischen Lösung ist längst hinter die Forderung, die Ukraine müsse den Krieg gewinnen und Russland unbedingt verlieren, zurückgetreten.
Es droht eine Eskalationsspirale, die schlimmstenfalls dazu führt, dass wir schlafwandlerisch in einen Atomkrieg hineinstolpern.
Was die Sanktionen anbelangt, so droht auch hier eine Eskalationsspirale, die uns am Ende mehr schadet als nützt. Sanktionen, die nicht Russland, aber unsere Wirtschaft in die Knie zwingen und unsere Bürger in die Arbeitslosigkeit und Armut treiben, sind unverantwortlich.
Und wer über das Heute hinausdenkt, der kann es nicht hinnehmen, dass Nord-Stream 2 mit seinen Milliarden ungenutzt in der Ostsee versenkt bleibt. Gas ist unbestritten die klimaschonendste Übergangstechnologie zur Sicherung der Energieversorgung.
Und sich hier dauerhaft von Russland abzukoppeln und das schmutzige Fracking-Gas aus Amerika hierher zu karren, ist wirtschaftlich ein nicht zu überbietender Irrsinn und umweltmäßig einer der größten Frevel, die man sich vorstellen kann.
Zudem ist es falsch, dass Nord-Stream 2 ein deutscher Alleingang war. Das Vorstandsmitglied Kuhn hat bei der Pressekonferenz die politische Historie nochmals in Erinnerung gebracht. Danach wurde die europäische Gasrichtlinie 2018 neu formatiert und Nord-Stream 2 dabei eingearbeitet. Anschließend wurde die Richtlinie in das nationale Recht implementiert.
Meine Damen und Herren, meine Rede hatte ich bis zur Rücktrittsankündigung des Stiftungsvorstands wie folgt beenden wollen:
Der Stiftungsvorsitzende Sellering, den ich aus seiner Zeit als Justizminister sehr schätze, wird mehr oder weniger als uneinsichtig und bockig hingestellt.
Dabei scheint er mir fast der einzige zu sein, der hier einen klaren Kopf bewahrt hat und das tut, was seine Pflicht als Stiftungsvorstand ist, nämlich die Angelegenheit rechtlich korrekt zu behandeln und sich nicht dem Druck aus der Staatskanzlei zu beugen. Dasselbe erwarte ich übrigens von der Justizministerin.
Dem muss ich jetzt leider hinzufügen: Herr Sellering hat sich am Schluss doch dem Druck der MPin gebeugt und mit seinem Rücktritt einem zu erwartenden Versuch einer rechtswidrigen Auflösung der Stiftung durch einen neuen von der MPin bestellten Gefälligkeitsvorstand Vorschub geleistet.
Schade, er war doch mal Richter!