Der Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts liegen die Beschwerden von zwei Gefangenen zugrunde, die eine Erhöhung ihres Arbeitsentgelts verlangten. Der eine, zu einer lebenslangen Freiheitstrafe verurteilt, sitzt in Bayern ein, der andere in NRW. Vor den Fachgerichten hatten die Beschwerdeführer keinen Erfolg. Anders beim Bundesverfassungsgericht, das die jeweiligen Vollzugsgesetze, die im Wesentlichen den früheren bundesgesetzlichen Regelungen entsprechen, gekippt hat.
Das Verfassungsgericht geißelt die Vollzugsgesetze der beiden Länder mit der Feststellung, dass diese nicht über ein in sich schlüssiges Resozialisierungskonzept verfügen. Diese Feststellung dürfte darüber hinaus auch für alle übrigen Länder gelten.
In seinem 46-seitigen Urteil und zusammenfassend in einer fünfseitigen Pressemitteilung legt das Verfassungsgericht dar, dass Arbeit im Strafvollzug nur dann ein wirksames Resozialisierungsmittel ist, wenn die geleistete Arbeit eine angemessene Anerkennung findet und was alles bei der Regelung einer angemessenen Vergütungshöhe zu berücksichtigen ist.
Man kann das als eine schallende Ohrfeige gegenüber den Ländern ansehen, man kann sich aber auch die Frage stellen, ob das Bundesverfassungsgericht hier nicht zum ersten Mal eine Kompetenzüberschreitung vornimmt, indem es bis ins Detail vorgibt, was die Legislative zu tun hat. Und wie so oft ist bezieht das Verfassungsgericht seine Erkenntnisse, sowohl was die Grundthese, nämlich das Resozialisierungsgebot des Grundgesetzes als auch daraus ableitend die Vergütungshöhe anbelangt, letztlich allein aus Artikel 1 GG, der Menschenwürde.
Hier sind der Auslegung und der Schaffung neuer Ansprüche, mithin der Justizialisierung der Politik keine Grenzen gesetzt. Das Bundesverfassungsgericht ist wie kaum ein anderes Gericht weltweit mit einer einzigartigen Kompetenzfülle und Macht ausgestattet. Ohne eine Selbstbeschränkung droht eine Schieflage zwischen Verfassungsgericht und Legislative. Das Klimaschutzurteil vom 29.4.2021, mit dem das Gericht die 1.5 Grad-Grenze des Pariser Klimaabkommens für verfassungsrechtlich verbindlich erklärt hat, ist ein klassisches Beispiel dafür, wie weit das Verfassungsgericht inzwischen in die Politik vorgerückt ist.
Unabhängig davon, wie man zu dieser Problematik steht, die Landesregierung wird das Urteil umzusetzen haben und genau dies hat die Justizministerin im Rechtsausschuss in Aussicht gestellt. Dies soll, so die Ministerin, vernünftigerweise in Abstimmung mi den anderen Bundesländern geschehen.
Der Antrag der Grünen ist deshalb absolut überflüssig. Er zeigt allerdings, wo die Grünen bei der Fülle unserer Probleme die Schwerpunkte setzen und für wen ihr Herz besonders schlägt, nicht für die Opfer, die bei der ganzen Diskussion keine Rolle spielen, sondern für die Täter.
Deshalb lehnt meine Fraktion eine Einbeziehung der Strafgefangenen in die gesetzliche Rentenversicherung ab. Wir halten diesen Vorschlag für eine völlig falsche Werteentscheidung. Wer es in den Strafvollzug schafft, in der Regel nach etlichen Vorstrafen und Bewährungsverurteilungen, hat die Konsequenzen zu tragen, dass er sich während der Haft nicht in einem Arbeitsverhältnis befindet. Zudem kann in vielen Fällen nicht unterstellt werden, dass der Betroffene in Freiheit arbeiten würde.
Ich frage mich, wie man angesichts der knappen Renten und der drohenden Altersarmut den redlichen Bürgern, die jetzt schon kaum über die Runden kommen, einen solchen Antrag erklären will.